Nicht (nur) die Schulbuchverlage sollten vor Apple Angst haben…

Heute gegen 16 Uhr unserer Zeit wird Apple im Guggenheim Museum in NYC zu einem „Education Event“ laden. Allgemein erwartet wird etwas wie iBooks für Schulbücher und interaktive Lernmöglichkeiten zum Download als große Offensive, das iPad (vielleicht sogar den iPod) in die Schule zu bringen. Sicher wären das interessante Vorgänge, aber wenn man genau hinschaut, kann man schon jetzt bemerken, wie verwunderlich es ist, dass zumindest der iPod nicht schon lange Einzug in den Schulalltag gefunden hat. Und das völlig unabhängig von der Möglichkeit, durch eBooks die Schultasche leichter zu machen.

Keimzelle der Idee war der Mathematikunterricht und in diesem Rahmen der Einsatz neuer Medien, insbesondere der Einsatz von Taschencomputern. Taschencomputer sind in diesem Fall taschenrechnergroße (eventuell etwas größer) Geräte, die mindestens einen Funktionenplotter, wenn nicht sogar ein vollständiges Computeralgebrasystem (CAS) und eine Tabellenkalkulation beinhalten. Aktuell bieten Texas Instruments und CASIO diese Taschencomputer an und sie sind in einigen Bundesländern auch (teilweise mit speziellen Aufgaben) zur Benutzung in den Abschluss- bzw. Abiturprüfungen zugelassen. Diese Geräte können den Unterricht (sofern sie sinnstiftend eingesetzt werden) bereichern und haben in den letzten Jahren durchaus eine Entwicklung zum Besseren durchgemacht.

Vergleicht man allerdings diese Geräte mit einem handelsüblichen iPod touch, so fragt man sich, wieso dieser nicht flächendeckend in den Schulen eingesetzt wird. Natürlich gäbe es einige Hindernisse, auf die später eingegangen werden soll. Den Anfang macht das Display: Graphische Taschenrechner sollen auch Graphik darstellen, also ist es wichtig, ein gutes Display zu haben. In der Bildschirmdiagonale haben die Taschencomputer hier teilweise sogar die Nase vorn, aber wenn man sich die Auflösung anschaut, kommen einem fast die Tränen:

TI Voyage:      240x128 Pixel - monochrom
TI Nspire CX:   320x240 Pixel - farbig
CASIO Classpad: 160x240 Pixel - monochrom
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Apple iPod:     960x640 Pixel - farbig

Und weil Zahlen diese krasse Differenz kaum darstellen können, sind hier nochmal die Displayauflösungen im Vergleich abgebildet:

Auflösungsvergleich: Taschencomp. vs. aktueller iPod touch - entspricht in Originalgröße den tatsächlichen Pixeln

Trotz der gültigen Folgerung „mehr Pixel macht mehr Platz macht mehr Informationen machen Mehrwert“ könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass die Displays ja die gleiche Größe haben und deswegen auch diese Pixelzählerei ungerecht ist, aber das Aufkommen des Themas der „Displaygenauigkeit“ in mathematikdidaktischen Werken (vgl. Anselm Lambert in [1], S. 256-268) macht die Notwendigkeit dieses Arguments deutlich: Auf einem iPod touch wird die 8-fache Datenmenge des TI Nspire, die 16-fache Datenmenge des CASIO Classpads und sogar die 20-fache Datenmenge des TI Voyage dargestellt!

Die weiteren „inneren Werte“ sprechen so offensichtlich wie eindeutig für den iPod, dass es sich fast nicht lohnt, sie hier aufzuführen:

TI Voyage:        2,7 MB Speicher, 188 KB RAM
TI Nspire CX:   100   MB Speicher,  64 MB RAM ("operating memory")
CASIO Classpad:   5,4 MB Speicher, 500 KB RAM
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Apple iPod:       8   GB Speicher, 256 MB RAM

Wer diese Auflistung als für die Schule unwichtig abtut, verkennt den Fakt, dass gerade Mathematikprogramme wie die Tabellenkalkulation in ihrem Funktionsumfang vom Arbeitsspeicher des Rechners abhängen. Spätestens jetzt sollte sich ein aber-der-Preis-Argument andeuten. Also halten wir mal die aktuellen Preise bei Amazon fest. Sicher nicht die beste Methode, einen wirklich günstigen Preis zu finden, aber immerhin chancengleich.

TI Voyage:        195€
TI Nspire CX:     149€
CASIO Classpad:   150€

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Apple iPod (8GB): 196€

Natürlich gibt es von den oberen Dreien substanzielle Rabatte für Schulklassen, aber wer würde nicht erwarten, dass Apple im Falle einer Education-Vermarktung auch stark im Preis zurück geht. Es dürfte ja sogar noch Speicher eingespart werden. (4GB reichen für alles Wesentliche in der Schule.) Gut, der iPod kommt nicht per se mit den Programmen, diee bei den anderen Geräten schon installiert sind, aber ich stelle hier mal eine Auflistung der Programme online, die man braucht, um den iPod (mindestens) ebenbürtig zu machen:

  • Pocket CAS für derzeit 7,99€ ersetzt vollständig das CAS und den graphischen Taschenrechner
  • Rudimentäre (aber für alles Wesentliche ausreichende) Tabellenkalkulationen gibt es umsonst, wenn es mehr sein soll findet man hier mehrere Alternativen von 4 bis 6$
  • Leider gibt es noch keine dynamische Geometrie, aber jeder, der schonmal mit der dynamischen Geometrie der anderen Geräte gearbeitet hat, weiß, dass die dort auch noch in den Kinderschuhen steckt. Irgendwann hab ich mal gehört, dass Cinderella oder GeoGebra durchaus mal vor hatten (noch haben) auf dem iPod laufen zu können.

Insgesamt kann man also sagen, dass man für etwa 10€ mehr den iPod auf dem Niveau der Konkurrenten hat. Er ist natürlich immernoch teurer, aber das kann man ja ganz wunderbar durch Synergien rausholen: Ein wirklich gutes PONS-Lexikon bekommt man für den iPod für 20€ pro Sprache, das World Factbook für 0,79 ct, ein komplettes auskommentiertes Periodensystem gibt es kostenlos – genau wie eine Bibel mit vergleichenden verschiedenen Versionen -, Skyview kostet 2€ und bietet großartige Erkundungsmöglichkeiten in der Astronomie, es gibt Spiele wie Slice it! (79ct), die viele mathematische Fragen aufwerfen und mit CityMaps2Go kann man für 99ct jeden Stadtplan der Welt offline verfügbar haben.

Dies Alles ist völlig unabhängig davon, dass es eBooks und iTunes U gibt. Es funktioniert bis auf die Einrichtung auch ohne Internetzugang und ist deswegen sogar Prüfungsgeeignet. Und es funktioniert schon heute! Zusätzlich würde es den Schülern das Gefühl geben, mit aktueller Technik zu arbeiten: So gut die inneren Werte der Taschencomputer mittlerweile sein mögen, sie fühlen sich an, als wären sie von vor 10 Jahren. Solange es noch doppelt und dreifach (oder vierfach) belegte Tasten gibt, sind sie es auch…

Die Probleme will ich natürlich nicht verschweigen, auch wenn ich nicht ausführlich darauf eingehen werde:

  • Die iPods müssen täglich (oder spätestens alle 2 Tage) geladen werden. Dies stellt eine logistische Herausforderung dar, da manche der anderen Geräte nur ab und zu einen Batteriewechsel brauchen (jedes Jahr oder so…) und dafür nur normale Batterien benötigen.
  • iPods sind a priori Internetgeeignet und deswegen auch problematisch. Es müsste möglich sein, die Verbindungsmöglichkeiten für Prüfungen sicher (!) abzuschalten. Bis jetzt ist dafür kein Tool vorhanden, aber es wäre sicher möglich, eins zu erschaffen, wenn man erst mal Wert auf diesen Markt legt.
  • Tatsächlich kann sich auch gegenüber den starren Geräten ein hörerer Betreuungsaufwand ergeben.
  • Der Vergleich bezieht sich auf Geräte mit CAS. Diese Einschränkung ergibt sich aus meiner Ansicht, dass man, wenn man digitale Werkzeuge nutzt, auch ordentliche zur Verfügung haben sollte. Diese ist durchaus diskutabel, schließt aber ausdrücklich nicht (!) vollständig Rechnerfreie Unterrichtsgestaltungen im Wechsel aus.

Wahrscheinlich noch so einige mehr, aber ich hoffe, die Ausführungen haben gezeigt, dass unabhängig von allem, was Apple heute nachmittag zeigt, der iPod (und, wenn man den Preis zahlen kann/will, auch das iPad) schon jetzt eigentlich die Schule vielleicht nicht umkrempeln aber intensiv modifizieren könnte.

Verweise:

[1] Barzel, B., Hußmann, S., Leuders, T., "Computer, Internet & Co. im Mathematikunterricht", Cornelson Scriptor, 2005.