Die Sache mit den 150€ und der Nacht in Berlin.

Gestern abend hat ja nun bekanntlich Herr Wulff sein Interview zur Erklärung diverser Umstände gegeben. Auf den Inhalt soll hier nicht eingegangen werden, auch wenn mir das in der Zeit seitdem auf den Fingern gebrannt hat. Mich verwunderte beim Transkribieren der geleakten Version der folgende Tweet von@dpa_infoline:

#Wulff fragt Interviewerin: „Verlangen Sie bei einer Übernachtung von Freunden 150 Euro?“ Antwort: „ja“

So so, die Frau Schausten legt Ihren Freunden, wen diese bei ihr übernachten wollen, erstmal eine Rechnung hin. Schlimm und natürlich nur lächerliches Journalistengeschwafel, wie am selben abend noch @Patrick_Kurth, @DoroBaer und @SvenVolmering über Twitter  mitteilten. Auf Basis meines Gehörs habe ich dem noch widersprochen, aber niemand ist ohne Fehler und ich brauchte Sicherheit. Gewissheit habe ich mir dann erstmal heute morgen beim Transkript des Spiegels beschafft:

Deppendorf: „Aber haben Sie kein Unrechtsbewusstsein gehabt als Ministerpräsident, sich sozusagen einladen zu lassen bei Freunden?“

Wulff: „Wenn man als Ministerpräsident keine Freunde mehr haben darf und wenn alle Politikerinnen und Politiker in Deutschland ab sofort nicht mehr bei Freunden übernachten dürfen, sondern, wenn Sie bei den Freunden im Gästezimmer übernachten, nach einer Rechnung verlangen müssen, dann verändert sich die Republik zum Negativen. Davon bin ich fest überzeugt. Und deswegen stehe ich zu diesen sechs Urlauben bei Freunden auf Norderney oder fünf, sechs Tage dort in Italien oder sieben Tage bei Freunden, mit den Freunden zusammen zu kochen, zu frühstücken, im Gästezimmer zu schlafen. Da erhebe ich auch keine Rechnung, wenn mich die Freunde hier in Berlin besuchen.“

Schausten: „Aber da hätten Sie natürlich auch sagen können: Ich gebe Euch mal pro Nacht 150 Euro. So was. Was spricht dagegen eigentlich?“

Wulff: „Machen Sie das bei Ihren Freunden so?“

Schausten: „Ja.“

Wulff: „Dann unterscheidet Sie das von mir im Umgang mit den Freunden. Jetzt als Bundespräsident, habe ich ja gesagt, war es ein Fehler, überhaupt bei einem Unternehmer zu übernachten.“

Irgendwie liest sich das doch etwas anders: Frau Schausten formuliert die Frage mit einem Verhaltensvorschlag für den Gast. Sie schlägt vor, Herr Wulff hätte von sich aus vorschlagen können, etwas zur Logis beizutragen. Die Nachfrage ob sie das tut, bejaht sie daraufhin.

Dieses Vorgehen habe ich für mich immer als Selbstverständlichkeit empfunden: Wenn Freunde mir Hilfe anbieten, dann möchte ich anbieten, ihnen (wenn auch vielleicht nur symbolisch) auch etwas dafür zu geben. Ich möchte zeigen, dass ich ihre Hilfe wertschätze und meinen Teil der Last tragen will. Bei Herrn Wulff kommt hier noch erschwerend hinzu, dass er zu diesem Zeitpunkt schon länger vom Volk auch dafür bezahlt wurde, dass er keine Almosen annehmen muss, sondern selber für seinen Lebensunterhalt sorgen kann. Ein großteil der üppigen Gehälter und Pensionen rühren doch daher, dass das Volk sich unabhängige Politiker finanzieren will.

Die 150€ kommen natürlich zu stande, weil hier von einem Aufenthalt in Luxusvillen die Rede ist. Da sind 150€ doch tatsächlich noch ein wahres Freundschaftsangebot. Aber wer hat nicht schonmal ganz schnell „Ich hol Brötchen!“ gesagt, wenn er bei einem Freund übernachtet hat? Genau so ist das gemeint.

Umso mehr verwundert mich die öffentliche Anprangerung von Frau Schausten. Von völlig unerwarteter Seite sah ich heute ein Youtube-Video, unter dem genau dasselbe Missverständnis propagiert wird. Und das obwohl ja der Originalton zu hören ist.

Die Seite Fr. Schausten muss ihre bezahlten Übernachtungen bei Freunden offenlegen. hat jetzt schon über 2000 Likes auf Facebook. Ich bin mal sehr gespannt, was passiert, wenn ich diesen Artikel dort verlinke. Es kann doch nicht sein, dass es so viele Menschen in Deutschland gibt, die ihren Freunden für eine Übernachtung oder einen anderen Freundschaftsdienst nicht auch nur eine geringe Gegenleistung anbieten, wenn sie können.

Auch das Wochenblatt hat im Onlineauftritt die Geschichte für sich entdeckt.

Sicherlich kann man vieles von verschiedenen Seiten sehen und ich freue mich auf Reaktionen, die mir dieses Vorgehen erklären können, aber verwundert verbleibe ich bis dahin.

EDIT: Die Welt hat jetzt auch einen Online-Artikel zu dem Thema.

EDIT2: Im FAZ-Interview hat Frau Schausten jetzt offiziell ihre Intention dargelegt, die sich mit meiner Interpretation deckt. Wörtlich:

Nein, natürlich nehme ich kein Übernachtungsgeld für meine Gästematratze, darum ging es auch nicht. Es ging im Gesprächskontext darum, ob man als Ministerpräsident wirklich kostenlosen Urlaub bei Millionärsfreunden annehmen darf. Der Präsident versuchte, das Thema durch seine Gegenfrage auf eine rein privat-menschliche Ebene zu verschieben, nach dem Motto „Freunde besuchen Freunde“. Mir hingegen ging es darum, deutlich zu machen, dass man bei Urlaubsaufenthalten selbstverständlich auch bei Freunden einen finanziellen Beitrag leisten kann, was ich in der Vergangenheit in der Tat auch selbst schon getan habe.

Auch Spiegel-Online berichtet mittlerweile darüber.